Nicht mit dem Rad durch Frankreich, sondern per Boot über den Saarkanal bis Grosbliederstroff an der Grenze zu Deutschland. Eigentlich ein ruhiger Trip auf gemächlichem Wasser. Er wird für die zehn Ruderer vom WSVG spannender als gedacht - mit einigen Überraschungen.
Mittersheim, im Département Moselle in Lothringen an einer Seenplatte gelegen, hat rund 600 Einwohner, ein kleines gemütliches Städtchen. Wir wohnen im Hôtel L’Escale, das von Madame und Monsieur Noé geführt wird, sehr nette Gastgeber, die uns drei Tage lang üppig umsorgen. Beim dortigen Ruderclub liegen zwei alte WSVG-Boote, die die Franzosen übers Jahr nutzen können, aber den Godesbergern zur Verfügung stehen, wenn die selbst eine Rudertour machen wollen.
Der Saarkanal führt von Mittersheim aus durch kleine Wälder, entlang von Wiesen und Feldern, durchquert den Regionalen Naturpark Lothringen. Viel Landschaft, kaum Siedlungen, nur ein paar Hausboote, aber insgesamt 30 Schleusen. Außer uns rudert niemand auf dem Kanal, ein Eindruck, den man vom Rhein nicht gewohnt ist. Alles sehr entspannt, so glauben wir zu Beginn.
Überraschung Nummer eins:
Der Hänger steht am Abend mit zwei Booten wie vereinbart am französischen Ruderclub. Aber nicht mit den beiden WSVG-Booten. Bruno Simon ist zwar am Start, aber von der Rolandsbogen keine Spur. Stattdessen ein weißer Kunststoff-Fünfer. Die telefonische Erklärung: Dem alten Holzklinker gehe es gerade nicht so gut und er sei auch noch nicht auf Wasser gewesen in diesem Jahr, was bedeutet, dass das Holz austrocknet und die Fugen nicht dicht sind. Schwamm drüber, noch am späten Abend fährt Axel den Hänger im Dunkeln mit ungeplanten Umwegen durch irgendwelche Gassen an den Startpunkt der Wanderfahrt nach Diane-Capelle.
Überraschung Nummer zwei:
In Diane-Capelle befindet sich die Hauptschleuse, die als eine der wenigen noch mit einem Wärter besetzt ist. Dort holen wir eine Art Schleusenfernbedienung ab, die per Chip die Tore öffnen soll. Zunächst fragen wir uns: Wo ist eigentlich an der Schleuse der Sender? Dann lernen wir, dass das letzte Boot einem digitalen Kästchen ein Signal geben muss, damit sich die Tore wieder schließen. Das erweist sich allerdings immer wieder als kompliziert, weil das Gerät kleine Ruderboote nicht sofort erkennt, sondern nur die größeren Hausboote. So muss eine Mannschaft wieder herausrudern und vor dem Kästchen minutenlang winken. Im Innenbereich der Schleuse sollen wir eine schwer bewegliche, blaue Stange hochziehen, um den Wasserabfall in der Schleuse auszulösen. Es stellt sich heraus, dass das Ersatzboot eine sehr wackelige Angelegenheit ist. Der Steuermann hat beim Sitzen die Knie unterm Kinn, beim Versuch, die Stange zu bewegen, droht die erste Kenterung. Die Schleusenpremière gelingt vor allem dank des freundlichen Wärters, danach wird alles schnell Routine.
Überraschung Nummer drei:
Das Ersatzboot ist nicht nur kippelig. Am Abend lässt es sich, plötzlich gefühlte Tonnen schwer, kaum aus dem Wasser ziehen. Der Kunststoffzwischenraum ist voll Wasser gelaufen. Am Heck bei der Steueraufhängung entdeckt die erstaunte Mannschaft interessante handwerkliche Ausbesserungsarbeiten. Offenbar hat man Risse nur oberflächlich überdeckt. Der Schaden, den wir am Morgen nicht auf dem Plan hatten, wird nun offenbar.
Überraschung Nummer vier:
Die Entscheidung fällt, doch die Rolandsbogen zum Einsatz zu bringen. Viele Telefonate später tauchen dann sogar die fehlenden Rollsitze und Ausleger auf. Und wir entdecken sogar die Original-Holzskulls in einem Großstapel wieder. Zahlreiche starke Franzosen packen mit an, um die schwere Rolandsbogen voll montiert auf den Hänger zu wuchten. Noch weiß niemand, ob der alte Kahn am Morgen dichthält.
Überraschung Nummer fünf:
Von Mittersheim aus fahren wir den Hänger zum Startpunkt der letzten Etappe. In Herbitzheim folgt der Augenblick: Wird die Rolandsbogen absaufen? Das Boot wird vom Hänger getragen und umgedreht. „Was ist denn das?“ Ein Aufschrei von Erika: „Wo ist denn die Dolle auf Schlag?“ Hektisches Suchen im Hänger und am umliegenden Wegesrand - das Ding bleibt verschollen, unterwegs einfach abgefallen. Damit hat nun wirklich niemand gerechnet.
Was soll’s – wir setzen das Boot jetzt eben ohne Dolle auf den Kanal. Durch die Planken sprudelt sofort Wasser. Der Schlagplatz wird zum Schöpfplatz umfunktioniert. Geht doch. Am Nachmittag läuft dann kein Wasser mehr nach. Auf die Rolandsbogen ist eben Verlass.
Eine großartige Tour de France mit aufregenden Momenten, viel Spaß, guter Laune, süffigen französischen Getränken und Bombenwetter. Ein Erlebnis dank Erika und Axel, die die Tour professionell geplant und perfekt vorbereitet haben. Merci beaucoup!
Susanne Grüter