Die Mannschaft wird eingeteilt, das Boot aus der Halle getragen und auf Böcken abgelegt. Die passenden Skulls werden runter auf den Anleger getragen und selbiger mit Besen von den Hinterlassenschaften der Enten befreit. Mit vereinten Kräften wird dann auch das Boot selbst zum Anleger getragen. Wenn der zu querende Radweg passiert und die enge Kurve über den schmalen Steg geschafft ist, wird das Boot vorsichtig über die Rolle am Anfang des schaukelnden Anlegers zu Wasser gelassen. Die Skulls werden zurechtgelegt, die Dollen geschlossen und während man schon mit einem Bein im wackeligen Boot steht, kommt auch schon die Abfrage: Sind alle klar? Also mit dem an Land verbliebenen Bein abstoßen, einbeinig eine Kniebeuge machen um sich halbwegs elegant auf den Rollsitz plumsen- äh nieder- zulassen. Es schaukelt und schwankt aber- puh, es ist mal wieder gut gegangen. Skulls sortiert, die Blätter aufs Wasser, die Füße am Stemmbrett festgezurrt, nach vorn in die Auslage und „Los“!
In meinem Kopf spult sich dann für knapp 1,5 Stunden immer wieder gleiche Programm ab und nach und nach schaffen meine verschiedenen, am Rudern beteiligten Körperteile (so ungefähr alle), diese Kommandos umzusetzen:
Mit geradem Rücken und nicht zu schnell mit dem Rollsitz ganz nach vorn in die „Auslage“ rollen und sehr weit vorbeugen. Wie ein Adler der sich von einer Klippe stürzen will.
Kurz vor Anschlag die Griffe mit einem lockeren „Schwupp“ drehen. Die Skulls dann senkrecht ins Wasser eintauchen lassen (der Adler fliegt los) und mit lockerem Händen die nur knapp unter der Wasseroberfläche schwimmenden Skulls zur Brust ziehen. Die Kraft kommt dabei aus den Beinen, die sich in kräftiger, sitzender Kniebeuge vom Stemmbrett abstoßen. Natürlich bewegt sich dabei der Rollsitz nach „hinten“ und die Beine werden lang.
Stemmbrett abstoßen. Natürlich bewegt sich dabei der Rollsitz nach „hinten“ und die Beine werden lang.
Am Ende angekommen hebeln die Hände die Skulls aus dem Wasser und mit dem lockeren „Schwupp“ drehen wir sie parallel zur Wasseroberfläche und führen die Hände rasch nach vorne und über die Knie um dann langsam mit geradem Rücken wieder nach vorne zu rollen.
Ist doch ganz einfach. Ein solcher Zug dauert- ja nach dem- etwas mehr als eine Sekunde. EINUNDZWANZIG. Es dürfte klar sein, daß alles viel zu schnell geht, um darüber nachzudenken, was man tut. Man macht einfach mit und merkt bei jedem Zug, was man dieses Mal vergessen hat. Oder bekommt es gesagt. Oder bekommt noch einen anderen Punkt erklärt, auf den zu achten gut für die Effizienz wäre. So macht man Zug um Zug, natürlich synchron mit der Mannschaft, auf lebhaftem Gewässer, besonders wenn ein großes Schiff vorbeifährt und mit einem offenen Ohr für Kommando's wie „backbord über“ (mit rechts kraftvoller Rudern), „jetzt 5 Dolle“ (beidseitig 5 perfekte, sehr kraftvolle Züge“) „langer/kurzer Wende“, „backbord beginnt mit streichen“ (andersrum rudern), oder „Ruder Haaalt“, was ich ehrlich gesagt sehr gerne höre ; )
Aber, während ich in diesem seltsamen Zustand zwischen denken und handeln, zwischen komplexer Theorie und noch viel komplexerer Praxis, mit sich bildenden Blasen an den Händen, Druckstellen am Po, einem jaulenden Rücken, und Schweiß, der die Sonnenbrille ins Rutschen bringt aber ich habe ja keine Hand frei um sie wieder hochzuschieben, da auf dem Rhein rudere, während dieser Qual, die sich Sport nennt, sehe ich Gänse im Tiefflug an uns vorbeifliegen, die Entenfamilie am Ufer ihren ersten Ausflug machen, den Fischreiher bewegungslos auf der Jagd, habe ich eine unglaublich privilegierte Sicht auf das Ufer zu beiden Seiten vom Wasser aus. Schloß Drachenburg blitzt märchenhaft aus dem sommergrünen Wald hervor, oben auf dem Berg trohnt majestätisch die Burgruine Drachenfels und das romantische Lied der Loreley kommt mir in den Sinn. Ein Gefühl von Weite und Freiheit und Zeitlosigkeit.
Das Umfahren der Kribben, das Abschätzen ob wir noch vor oder besser erst nach der Fähre deren Route kreuzen, der obligatorische kurze Stop vor der Einfahrt zur Insel Nonnenwerth- wie um kurz zur Besinnung zu kommen, denn dies ist das schönere Stück der Heimstre>Wir lassen uns zunächst etwas treiben, viele kramen nun Trinkflaschen aus den wasserdichten Beuteln und recken und strecken sich- insoweit wie es auf dem Wasser möglich ist. Je nach dem, wie kalt es ist, fängt man dann doch gern wieder zu rudern an. Der Heimweg ist um ein Vielfaches einfacher: nicht nur die Strömung hilft in gleichem Maße, wie sie einem auf dem Hinweg das Leben schwer gemacht hat. Es ist auch einfach der Stolz und die Freude, daß wir das schwierige Stück schon gemeinsam geschafft haben. Diese Hochstimmung können auch dicke Tanker mit hohen Wellen und fieser Gegenwind nicht wirklich trüben und die letzten Kräfte lassen uns doch erstaunlich schnell am Anleger ankommen.
Aussteigen, Skulls wegstellen, Boot rausholen, drehen, hochschleppen, abspritzen, abtrocknen, in die Halle schleppen, Böcke wegräumen: im Team geht das alles ganz fix. Der Steuermann dankt der Mannschaft- und die Mannschaft dankt dem Steuermann!!
Tanja Wolf