Aus dem Tagebuch eines Mitruderers
Mittwoch, 24. Mai 2017
Anreise
Nach knapp 10 h fahr`n, fahr`n, fahr`n auf der Autobahn endlich Ankunft in Hellerup, falsche Adresse im Internet, deswegen unfreiwillige Stadtrundfahrt, Zimmerverteilung leicht durcheinander wegen Hund Athena von Doris. Fritz, Nikolai, Doris, Jutta und Athena teilen sich den „Konferenzraum“. Alle anderen in kabinenartigen Behältnissen mit Stockbett und Flachbildschirm untergebraucht. Aber mit Stil: Schließlich sind wir im „Sejlklub Hellerup“ einquartiert, very simple, but charming, an den Wänden großformatige Bilder von Segel-Olympiasiegern und Weltmeistern aus dem Verein. Umziehen im Schichtbetrieb, der eine am Waschbecken, der andere im Bett. Grillabend mit erfreulicher solider vegetarischer Grundausstattung und köstlichem australischem Wein von unserem dänischen Ruderfreund und Weinimporteur Henrik. Wir lernen uns gegenseitig kennen oder erkennen uns wieder. Nette Mädels und Jungs, diese Dänen. Im Altersdurchschnitt uns leicht überlegen, aber nur da…
Donnerstag, 25. Mai
Frühstück um 7:30 Uhr, Bootseinteilung um 8:30 Uhr, an die Boote um 8:45 Uhr. Boote oder vielleicht besser Schiffe?
Breiter sind sie, viel schwerer. Versetzt sitzend als Zweier oder Vierer mit Steuermann werden sie nur mit Riemen gerudert, nur per Hand gesteuert. Alle 12-15 Minuten werden alle Positionen durchgewechselt. Schön sind sie auch, klassisch anmutende Holzboote, eine Freude fürs Auge. Und weil sie so schwer sind, werden sie auf einem eigenen Wagen gelagert und transportiert, in einem elektrischen Hubregal per Knopfdruck verräumt. Schöne neue Welt ganz ohne „Dreesen hoch“ und „Boot in die Hände“.
Auf dem Meer Richtung Schweden noch dunkle Wolken, aber eine überschäumend optimistische Wettervorhersage. Und tatsächlich, die dunkle Wolkenbank löst sich im Laufe des Morgens auf in einen Mix aus freundlichen weißen Wolken und tiefblauem Himmel, dazu eine kräftige Brise aus Nordwest. Wir rudern ca. 14 km immer entlang der Küstenlinie und ziehen vorbei an einem beglückenden Panorama aus kleinen und großen, alten und neuen, unbezahlbaren oder nur teuren Villen, Wohn- und Strandhäuschen, davor weißer Sand und tiefblaue See – Ansichten wie aus Bildern von Edward Hopper. Eine mintgrüne hölzerne, in gegenseitig sichtgeschützte Damen- und Herrenbereiche unterteilte Badeanstalt, versetzt uns 120 Jahre zurück. Was das Auge erblickt, ist schön, zumindest gefällig, gepflegt und anmutig, die Bewohner garantiert ohne Wohnberechtigungsschein und Migrationshintergrund. Der Norden von Kopenhagen sei ein „Gehege für die Reichen“ meint einer unserer Kopenhagener Ruderkollegen. Diese Idylle setzt sich fort in Bakken, wohin wir am Abend von unseren Gastgebern eingeladen sind. Wie die mintgrüne hölzerne Badeanstalt aus der Zeit gefallen: ein Vergnügungspark mit Schiffsschaukeln, hölzerner(!) Achterbahn, Luftgewehrschießen, Zuckerwatte, Hau-den-Lukas und anderen unschuldigen Vergnügungen - garantiert Hightech frei, völlig unaufgeregt naiv kindlich im besten Sinne, suuuper… und dazu: der älteste Vergnügungspark der Welt!
Freitag, 26. Mai
Wellenreiten, Traumwetter, wieder diese eigentlich gar nicht starke Brise, aber schon kräftig genug, um auch für unsere Wikingerschiffe grenzwertige Wellen zu erzeugen. Nach einem wilden up and down entscheidet sich unsere Admiralität zur Umkehr und bringt so unsere Flotte pünktlich zur Lunchzeit zurück in den sicheren Heimathafen. Wer jetzt meint, diese Runde wäre an Poseidon gegangen, der unterschätzt das Material unserer dänischen Freunde: Dickschiff rein, Coastal raus. Eine kleine Flotte skullgeruderter „Surfbretter“ mit offenen Spiegeln ging nochmal in die Wellen und: richtig, trotzte allen Bemühungen der Elemente. Respekt für die mutigen Sportkameraden und ein anerkennender Blick auf ihr tolles Sportgerät.
Samstag, 27. Mai
Stadtbesichtigung Kopenhagen
Wieder begrüßt uns schon zum Frühstück (vorzüglich, jeden Morgen von unseren dänischen Freunden für die ganze Truppe selbst zubereitet inkl. Lunchpaket) der Blick auf eine azurblaue Ostsee. Heute stimmt der Wind, wir meistern ohne Probleme die Passage, an der wir am Vortag aufgeben mussten und erobern mit unserem Flottenverband den Kopenhagener Hafen. An massigen Kreuzfahrtgiganten wie an der zierlichen Meerjungfrau vorbei kommen wir über eine Art Canale Grande ins Herz der Stadt. Links und rechts eine anregend-coole Mischung aus mutiger, ultramoderner Architektur und romantischer Grachtenidylle. Unser Weg führt uns durch kleine und kleinste Kanäle, die engen Brückendurchfahrten und der heftige Schiffsverkehr fordern unsere Steuerleute. Aber wie Ilse und Ralph schon immer sagten: „Wer auf dem Rhein steuern kann, der kann es überall“. Quod erat demonstrandum… Zur besten Kaffeezeit sind wir am Nachmittag wieder in Hellerup. Ein Bierchen zur Regeneration und dann ab unter die Dusche und vor den Spiegel – der große Samstagabend-Event zum 50. Jubiläum unserer Klubpartnerschaft steht um 19 Uhr auf dem Programm. Nie schöner gesehen freuen sich dann 30 Ruderfreunde über die nächste positive kulinarische Überraschung unserer Gastgeber: Ein italienisches Büffet der ganz schmackhaften Art, wieder selbst gezaubert. Nach dem Schmausen – so hatte schon Bert Brecht die Reihenfolge realistisch, aber mit drastischeren Worten beschrieben – hatte endlich die Kultur, die Tradition ihren Auftritt.
Wunderbar, was so scheinbar banale Erinnerungsfotos aus den 70er und 80er Jahren plötzlich für einen Unterhaltungswert erreichen, wenn auf ihnen real existierende Personen ohne erkennbare Ähnlichkeiten zu damals identifiziert werden. Und toll die Geschichten und immer wieder staunenswert, was für Details nach all den Jahren noch gegenwärtig sein können… Unterbrochen durch musikalische Schmankerl wie „Dänen lügen nicht“, dargebotenen von Hans-Olaf, dem dänischen Großmeister der Ukulele und kongenial begleitet von „The Fendergirls“ from Bad Godesberg liefen Jahrzehnte freudvoller gemeinsamer Rudererlebnisse an uns vorbei. Und noch ein Höhepunkt: Übergabe unseres Gastgeschenkes – eine von Ralph gekonnt verfremdete, passend zum Interieur des Helleruper Klubhauses in schwarz-weiß gehalten und auf Alu gedruckte Ansicht des Drachenfels mit Ruderern auf dem Rhein davor. Als dann die Nacht den Abend ablöste, löste sich die große Runde auch Dank Henriks hervorragender Weine in kleine gemütliche Gesprächsinseln auf – ja, so und nur so war das auf unserer Rudertour in Kopenhagen. Dänen lügen nicht, haben wir gesungen - Godesberger… ?
Großen Dank an unsere großartigen Gastgeber in Hellerup, ein herzliches Dankeschön an Ilse und Ralph, die mal wieder alles, inklusive der Wetterbestellung, richtig und nur richtig gemacht haben. Mehr über die 50jährige Ruderfreundschaft mit Hellerup hier auf unserer Website: Rhein trifft Öresund.
Klaus Schütze